ND-Filter und die Langzeitbelichtung.
Heute möchten wir uns mit dem Thema ND-Filter beschäftigen. Ist ein ND-Filter ein unverzichtbares Zubehör? Wofür wird er verwendet und was bedeuten die Zahlen und Werte, die in diesem Zusammenhang in den Raum geworfen werden?
Wofür brauche ich einen ND-Filter ?
Nun ja, wir wollen mit unseren Bildern immer etwas besonderes schaffen, etwas, was mit dem bloßem Auge nicht immer oder nicht sofort zu sehen ist. Manchmal können wir mit der exakten Belichtung des Bildes nicht die vorhanden Atmosphäre, die Dramatik wiedergeben. Sich bewegende Objekte als Momentaufnahme werden mit den korrekten Belichtungswerten oft statisch dargestellt. Um hier mehr Dynamik ins Bild zu bringen, müssen wir an den Belichtungsparametern Änderungen vornehmen.
Wenn z.B. ziehende Wolken durch Bewegungsunschärfe hervorgehoben, Wellen auf dem Wasser geglättet werden, oder vorbei laufenden Menschen vor Bauwerken einfach verschwinden sollen, so müssen wir die Belichtungszeit verlängern. Änderungen an der Belichtungszeit führen aber zwangsläufig auch zu veränderten Werten der Blende und/oder ISO-Werten. Bei normalem Tageslicht ist eine längere Belichtungszeit oft nicht durch das Abblenden und/oder eine Verringerung der ISO-Zahl möglich.
Genau an dieser Stelle brauchen wir einen Filter, einen ND-Filter.
Exkurs: Blende, Zeit und ISO
Bevor wir nun weiter auf den ND-Filter eingehen, hier ein kleiner Exkurs zu den Zusammenhängen zwischen Blende, Belichtung und ISO.
Die Blende, die Belichtungszeit und die Empfindlichkeit (ISO) sind zentrale Gestaltungselemente in der Fotografie. Diese drei Elemente sind miteinander verknüpft und bilden gemeinsam das sog. Belichtungsdreieck. Sie beeinflussen den EV-Wert (Exposure Value), der im nächsten Abschnitt näher erläutert wird.
Blende: Die Blende als Gestaltungselement in der Fotografie ist im Wesentlichen für die Schärfentiefe verantwortlich. Einfach formuliert: Öffnet man die Blende nimmt die Schärfentiefe ab und es kommt mehr Licht auf den Sensor. Die Blendenreihe beginnt bei 1 und die nächste Blende ist 1,4. Wenn man nun abwechselt diese zahlen verdoppelt, erhält man die (echte) Blendenreihe. Man kann aber auch bei 1 Anfangen und jedesmal mit dem Faktor 1,4 bzw. mit dem Faktor Wurzel2 multiplizieren. Die Blendenreihe lautet danach (mit kleinen Rundungen) f 1, f 1.4, f 2, f 2.8, f 4, f 5.6, f 8, f 11, f 16, f 22, f 32, f 45. Moderne Kameras haben neben diesen echten Blendenwerte auch zwischen Blenden und unterteilen eine Blendenstufe in 3 Schritten. Also von Blende f 4.0 auf f 5.6 (Erhöhung um eine Blendenstufe) bietet die Kamera noch den Blendenwert f 4.5 und f 5.0 an.
Bei jeder Erhöhung der Blende (Abblenden) um eine Stufe halbiert sich die Lichtmenge, die auf den Sensor fällt. Bei einer Verkleinerung Blende (öffnen der Blende) um eine Stufe verdoppelt sich demnach die Lichtmenge.
Zeit: die Belichtungszeit wird in der Regel mit sec. angegeben. Je länger die Belichtungszeit desto mehr Licht fällt auf den Sensor. Gleichzeitig erhöht sich aber auch die Gefahr, dass das Bild
und/oder das Bewegungsunschärfen auftauchen. Bewegungsunschärfen können als Gestaltungsmittel durchaus erwünscht sein.Wird die Belichtungszeit nun von 1/125 sec auf 1/250 sec halbiert, so muss die Blende um eine Stufe geöffnet werden.
ISO-Werte: ISO-Werte beginnen in der Regel bei einem Wert von 100 (Standard). Jede Verdoppelung des ISO-Werts entspricht eine Blendenstufe. D.h. wird das ISO-Wert von 100 auf 200 verdoppelt, so verdoppelt sich “scheinbar” die Lichtmenge. Ähnlich wie bei den Blenden bieten hier moderne Kameras die Veränderung des ISO-Wertes in 1/3 Stufen. Also zwischen ISO 200 und 400 liegen noch die ISO-Werte 250 und 320.
Exposure Value oder auch EV-Wert
Um fotografieren zu können, benötigen wir LICHT. Mal ist viel Licht vorhanden und mal ist nur sehr wenig Licht vorhanden. Die perfekte Belichtung und damit die benötigte Lichtmenge muss nun unter Beachtung des Belichtungsdreiecks ermittelt werden. Die Kombination aus Blende, Zeit und ISO stellt nun die vorhandene Lichtmenge dar. In der Fotografie hat sich für die vorhandene Lichtmenge der Begriff Exposure Value oder auch kurz EV eingebürgert.
Definitionen:
Exposure Value (EV) ist ein numerisches Maß für die Kombination aus Blende und Belichtungszeit, das zur Bestimmung der korrekten Belichtung eines Fotos verwendet wird.
Ergibt die Belichtungsmessung für ein Bild z.B. 1/125 sec, mit Blendenwert 8 bei ISO 100, so kann der EV-Wert (13) in einer Matrix abgelesen werden. Diesen EV-Wert kann man nun in der Matrix bei verschieden Blenden- und Zeitkombinationen finden. Alle diese Kombinationen ergeben eine korrekte Belichtung des Bildes.
Ausgangspunkt dieser EV-Matrix ist Blende 1 mit einer Belichtungszeit von 1 sec. bei ISO 100. Der EV-Wert beträgt hier 0. Mit einem klick auf Matrix könnt ihr euch die Matrix anschauen und damit Ihr sie nicht auswendig lernen müsst, auch gerne downloaden. Speichert sie ruhig auf euer Smartphone, dann hat man sie auch zur Hand, wenn man sie dann mal benötigt
Zurück auf unsere erwähnte Blenden- und Zeitkombination von f 8.0 bei 1/125 sec. und ISO 100 ergibt die EV-Matrix den Wert 13.
Alle weiteren Kameraeinstellungen, die ebenfalls den EV Wert 13 beinhalten, geben immer die gleiche Lichtmenge an den Sensor weiter. In der Matrix als orange Diagonale dargestellt.
Erhöhen wir nun den ISO Wert um eine Blendenstufe, also von 100 auf 200 ISO, so erhöht sich der EV-Wert um eine Einheit von 13 auf 14. Nun führen alle Blenden- und Zeitkombinationen zum korrekt belichtetem Bild, die den Wert 14 haben.
Nach diesem kleinen technischem aber wichtigen Exkurs nun zurück zu den ND-Filtern.
ND-Filter und ihre Werte
Wenn wir bei Tageslicht eine Langzeitbelichtung durchführen möchten und trotz maximal geschlossener Blende und minimaler ISO-Einstellung immer noch zu viel Licht auf den Sensor trifft, müssen wir die Lichtmenge mit einem ND-Filter reduzieren. ND steht hierbei für Neutral-Dichte-Filter.
Die ND-Filter gibt es mit unterschiedlichen Lichtdurchlässigkeiten. Je nach Filtersystem können mehrere ND-Filter auch kombiniert werden.
Leider ist die Benennung von ND-Filtern nicht einheitlich. Die einen beziehen sich bei der Benennung der Filter auf die Blendenstufen. Ein Filter mit der Angabe ND3 bedeutet dann, dass dieser die auf den Sensor treffende Lichtmenge um 3 Blendenstufen reduziert. In Bezug auf unser Beispiel bei mit Blende f 8.0 und ISO 100 bedeutet dass, dass wir die Belichtungszeit von 1/125 sec. dreimal halbieren müssen, also 1/60 sec., 1/30 sec. und schließlich 1/15 sec. Somit haben wir die Belichtungszeit von 1/125 sec. auf 1/15 sec. verlängern können.
Dieses können wir aber noch einfacher in der EV-Matrix ablesen. Hierzu ziehen wir von dem zuvor ermittelnden Wert 13 den ND-Wert von 3 ab und erhalten den EV-Wert 10. In die Matrix geschaut sehen wir in der Spalte “f 8” beim EV-Wert 10 ebenfalls eine Belichtungszeit von 1/15 sec. Nun können auch verscheiden Kombinationen von Blende und Belichtungszeit abgelesen werden.
Die anderen geben bei der Bezeichnung der Filter nicht die Blendenstufe an, sondern berechnen einen Faktor, der sich aus der Blendenstufe ergibt. Wie wir wissen, verdoppelt eine Blendenstufe die auf den Sensor treffende Lichtmenge. Wenn wir nun einen Filter haben, der den Blendenwert um 3 Stufen verändert, so lässt sich ein Faktor von (2*2*2) oder 2 hoch 3 = 8 berechnen. Der Filter hat dann die Bezeichnung ND8.
Beim Kauf eines Filters heißt es daher, genau nachlesen um was für einen Wert es sich handelt. Die meisten Hersteller geben mittlerweile beide Werte an. Eins meiner ND-Filter weist neben der Bezeichnung ND4 auch einen Wert 64x auf. Es handelt sich also hierbei um einen Filter der um 4 Blendenstufen, also auch um 4 EV, die Lichtmenge reduziert und den Faktor 2 hoch 4 = 64 aufweist.
Egal mit welchen Werten die Filter benannt werden, bei der Verwendung dieser Filter verlängert sich die Belichtungszeit entweder um x Blendenstufen oder um den Faktor x.
Ein Extrembeispiel: Bei der Verwendung eines ND1000 Filters, auch ND10-Filter genannt, ergibt sich eine Verlängerung der Belichtungszeit um 10 Blendenstufen. Das entspricht dem mathematischem Wert von 2 hoch 10 und ergibt den rechnerischen Faktor von 1.024 und damit eine Belichtungszeit von 1/125 sec. * Faktor 1.024 = 8,192 sec gerundet 8 sec.
Einfacher ist es, den Wert mit der EV-Matrix zu ermitteln und abzulesen. In der EV-Matrix muss der Wert für die Belichtung (ohne Filter) um den Wert 10 korrigiert werden, d.h. auf unser Beispiel bezogen 13 – 10 = 3. Der ND10 Filter verlängert also unsere Belichtungszeit von 1/125 sec. auf 8 sec.
Ein Beispiel anders herum: Ausgangspunkt ist unsere Belichtungsmessung von 1/125 sec bei f 8.0 und ISO 100. Der EV-Wert beträgt, wie wir uns erinnern, 13. Die kleinste Blende meines Objektives beträgt f 32. Daraus ergibt sich laut Matrix eine maximale Belichtungszeit von 1/8 sec. Möchte ich nun mein Bild mit einer längeren Verschlusszeit aufnehmen, sagen wir mal mit 30 sec., so ergibt sich aus der Matrix ein EV-Wert von 5 (f 32 bei 30 sec). Die Differenz zum gemessenen EV-Wert beträgt 8 (13-5). Ich benötige somit einen Filter ND8 bzw. einen Filter mit einem Faktor von 256.
Die ND-Filter lassen sich auch miteinander kombinieren. Verwende ich neben einen ND3 auch gleichzeitig einen ND6 Filter, so verlängert sich die Belichtungszeit um 9 Blendenstufen (3+6) bzw. um den Faktor 512 (2 hoch 9).
Arten von ND-Filter
Im Einzelhandel gibt es im wesentlichen zwei Filterarten. Steckfilter und Aufschraubfilter. Seit kurzer Zeit existieren auch Filter, die magnetisch am Objektiv befestigt werden. Mit diesen habe ich aber bisher keine persönlichen Erfahrungen gemacht.
Bei den Steckfiltern handelt es sich meistens um eckige Scheiben, die in einer Halterung, welche zuvor am Objektiv befestigt wurde, hineingeschoben werden. Hier können mehrere und verschiedene Filter miteinander kombiniert werden.
Ich persönlich bevorzuge jedoch die Aufschraubfilter. Diese werden einfach auf das Objektiv geschraubt. Die Filtergröße, also der Durchmesser muss natürlich passend zum Objektiv sein. Um nicht für jedes Objektiv einen eigenen Filter kaufen zu müssen, empfiehlt es sich, einen Filter mit einem großen Durchmesser entsprechend des größten Objektives zu erwerben und diesen mithilfe von Adapterringen auf kleinere Durchmesser anzupassen.
Für diejenigen, die nicht oft einen ND-Filter benötigen, aber dennoch für alle Fälle gewappnet sein möchten, empfehle ich einen variablen ND-Filter. Dieser lässt sich zwischen verschiedenen EV-Werten einstellen. Ich verwende einen von der Firma Calumet, der sich einmal aufgeschraubt von ND2 bis ND9 verstellen lässt. Dieser Filter, zusammen mit den Adapterringen, ist stets in meiner Fototasche dabei.
Wir hoffen, dass wir ausführlich genug waren und nicht zu technisch. Wer Fragen oder Anregungen hat, kann diese gerne als Kommentar hinterlassen.
Autoren: Helmut Thimm und Erhan Göktan ,
Die Autorenschaft erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und Richtigkeit. Alle verwendeten Quellen wurden nach bestem Wissen und Gewissen angegeben. Konstruktive Hinweise, Ergänzungen oder Fragen sind herzlich willkommen und können gerne als Kommentar verfasst werden.
Ein toller, informativer Artikel!
Sehr gut gemacht
Sehr gut und informativ. Vielen Dank für die tolle Arbeit.